Mehr als 600 Gäste besuchten Befreiungsfeier

Universitätspräsident Prof. Dr. Udo Hebel bei der Gedenkfeier zum 79. Jahrestag der Befreiung des Konzentrationslagers Flossenbürg. (Foto: © KZ-Gedenkstätte Flossenbürg, Michael Hopf)Universitätspräsident Prof. Dr. Udo Hebel bei der Gedenkfeier zum 79. Jahrestag der Befreiung des Konzentrationslagers Flossenbürg. (Foto: © KZ-Gedenkstätte Flossenbürg, Michael Hopf)Die KZ-Gedenkstätte Flossenbürg hat anlässlich des 79. Jahrestages der Befreiung des Konzentrationslagers Flossenbürg Überlebende, Angehörige ehemaliger Häftlinge und die interessierte Öffentlichkeit aus aller Welt vom 19. bis zum 21. April 2024 nach Flossenbürg eingeladen, um gemeinsam zu gedenken und sich auszutauschen. Diese bewegende Veranstaltung erinnert alljährlich an die Menschheitsverbrechen des nationalsozialistischen Deutschlands und an die Befreiung des Konzentrationslagerns durch U.S.-amerikanische Truppen am 23. April 1945.
Der Gedenkakt am Sonntag, 21. April 2024, bildete den feierlichen Höhepunkt der Veranstaltung. Unter den geladenen Gästen befanden sich Vertreterinnen und Vertreter aus Politik, dem diplomatischen Korps, der Geistlichkeit und des öffentlichen Lebens. Als Redner traten der Bayerische Staatsminister der Finanzen und für Heimat, Albert Füracker, der Vizepräsident des Bayerischen Landtags a.D. und Direktor der Stiftung bayerischer Gedenkstätten, Karl Freller, sowie der Präsident der Universität Regensburg, Prof. Dr. Udo Hebel, auf. Youp Zwolschen, dessen Großvater, Antoon Bink, das KZ Flossenbürg überlebt hatte, sprach für die Familien der Opfer. Witterungsbedingt entfiel im Anschluss die Kranzniederlegung im „Tal des Todes“. Die Veranstaltung endete nach dem Gedenken der Vertreter von vier Glaubensrichtungen auf dem ehemaligen Appellplatz des Lagers mit einem stillen Gedenken der über 600 Besucherinnen und Besuchern der Befreiungsfeier.
Universitätspräsident Prof. Dr. Udo Hebel bei seiner Rede anlässlich des 79. Jahrestages der Befreiung des Konzentrationslagers Flossenbürg. (Foto: © KZ-Gedenkstätte Flossenbürg, Michael Hopf)Universitätspräsident Prof. Dr. Udo Hebel bei seiner Rede anlässlich des 79. Jahrestages der Befreiung des Konzentrationslagers Flossenbürg. (Foto: © KZ-Gedenkstätte Flossenbürg, Michael Hopf)
Universitätspräsident Prof. Dr. Udo Hebel stellte in seiner Rede die Verbindung von Erinnerungskultur und Wissen in den Mittelpunkt. Zu Beginn seiner Rede blickte er auf seinen ersten persönlichen Kontakt mit der Erinnerung an die nationalsozialistischen Verbrechen zurück. Während einer Oberstufenfahrt in die USA sah er im Geschichtsunterricht erstmals Filme des U.S. Army Signal Corps von der Befreiung der nationalsozialistischen Konzentrationslager im Frühjahr 1945. „So etwas kannten wir nicht und solche Zeitdokumente oder auch Berichte von überlebenden Zeitzeugen hatten damals noch keinen wirklichen Eingang in bundesdeutsche Schulen gefunden“, so Prof. Hebel. Dies habe sich in den vergangenen 50 Jahren verändert. Heute stelle sich die Erinnerungs- und Wissenssituation in Deutschland in vielerlei Hinsicht anders und besser dar. „Viele Menschen, Institutionen und Organisationen sind dem Verschweigen und Verschleiern, dem aktiven und passiven Unwissen, dem individuellen und kollektiven Vergessen und dem bequemen Nicht-Erinnern entgegengetreten.“ Mit viel Einsatz, Aufrichtigkeit und Überzeugung sei eine in der Zivilgesellschaft verankerte Erinnerungslandschaft geschaffen worden. Dafür dankte Präsident Hebel der KZ-Gedenkstätte Flossenbürg, ihrem Leiter Prof. Dr. Jörg Skriebeleit und allen Mitarbeitenden sowie den zahlreichen Unterstützerinnen und Unterstützern in Politik und Gesellschaft.
Im Zusammenhang mit der aktuellen politischen Situation und Entwicklungen fand Prof. Hebel dann jedoch deutlich mahnende Worte. So sei die verantwortungsvolle, inklusive und zukunftsgerichtete Erinnerungskultur in Deutschland konfrontiert mit gefährlichen Versuchen, das Wissen um die singulären Verbrechen des Nationalsozialismus zur Disposition zu stellen. „Wir sehen uns konfrontiert mit Desinformation, Fake News, Verharmlosungen, Hassrhetorik und manipulativen Bestrebungen, die Linien der Erinnerung wieder zu verschieben, Gedächtnislücken hinzunehmen und leicht und längst widerlegbares Un- und Falschwissen zu akzeptieren. Wir sehen uns konfrontiert mit inakzeptablen Aktionen, die unabdingbare Erinnerungsarbeit zu verunglimpfen und zu sabotieren“, warnte Prof. Hebel. Rassismus, Nationalismus, Ausgrenzungsideologien, Diskriminierungen und Vorurteile bedrohen die vielfältige, bunte, tolerante Gesellschaft. „Geschichtsrevisionismus beansprucht Wahrheitsrelevanz und dumpfignoranter Rechtspopulismus hallt durch Parlamentssäle und greift nach den Wahlurnen.“ In diesen für die Zukunft entscheidenden Zeiten komme der Erinnerungsarbeit essenzielle Bedeutung zu, so der Universitätspräsident. Die gemeinsame Bewahrung des Wissens, die gemeinsame Mehrung des Wissens und die gemeinsame Weitergabe und Teilhabe des Wissens um die Menschheitsverbrechen des nationalsozialistischen Deutschlands und um deren Auswirkungen auf die nachfolgenden Generationen in Deutschland und anderswo dürften nicht nachlassen.
Präsident Hebel betonte die gesellschaftliche Verantwortung der Universitäten, für die großen Herausforderungen und Zukunftsthemen dieser Zeit Verantwortung zu übernehmen. In diesem Selbstverständnis sei die Universität Regensburg mit der KZ-Gedenkstätte Flossenbürg in eine Partnerschaft getreten, um ihren Beitrag zu leisten zu der Zukunftsaufgabe der Erinnerungsarbeit als Wissensarbeit. Mit dem gemeinsamen Zentrum Erinnerungskultur (ZE) verschränken die Universität Regensburg und die KZ-Gedenkstätte die Wissens- und Lernorte Universität und Gedenkstätte persönlich, organisatorisch und in der konkreten Erinnerungs-, Wissens-, Kommunikations- und Begegnungsarbeit.
Abschließend sprach Prof. Hebel den bevorstehenden unersetzlichen Verlust der unmittelbaren Begegnung mit der Erfahrungsgeneration der Zeitzeugen selbst an. Die Verantwortung für die Weitergabe und Teilhabe am wahrhaften Erinnerungswissen gehe mehr denn je und mit viel Vertrauen der Ermordeten, Überlebenden und Angehörigen „auf uns alle über und auf uns gemeinsam – persönlich, institutionell, gesellschaftlich – als Verpflichtung und Aufgabe, als Privileg und Chance“. Die Deutungshoheit über das Erinnerungswissen dürfe nicht dem Zugriff der Advokaten von Un-, Nicht- und Falschwisssen ausgesetzt werden und es dürfe für niemanden ein ‚Genug‘ in der Erinnerungs- und Wissensarbeit geben.
Neben dem traditionellen Gedenkakt und der Zeremonie auf dem Appellplatz gab es auch in diesem Jahr wieder das „Zelt der Begegnung“ als Raum für Austausch und Informationen. In einem Pop-Archiv wurden Geschichten zum Konzentrationslager Flossenbürg, seinen Außenlagern und den Todesmärschen geteilt. Das „Zelt der Begegnung“ war ab Freitag, den 19. April 2024, geöffnet.
Am Samstag, 20. April 2024, sowie am Sonntag, 21. April 2024, konnten das ehemalige Verwaltungsgebäude der Deutschen Erd- und Steinwerke besichtigt werden. Nach der Einstellung der kommerziellen Nutzung des Areals am 31. März 2024 wurden Einblicke in die aktuellen Entwicklungen gegeben, und Meinungen und Gedanken zur Zukunft des Areals wurden ausgetauscht.
 
Der Text der gesamten Rede stehr hier als PDF zur Verfügung
 
Zur Befreiung des KZ-Flossenbürg
Das Konzentrationslager Flossenbürg wurde am 23. April 1945 von US-amerikanischen Truppen befreit. Bei ihrer Ankunft fanden Angehörige der 90. US-Infanteriedivision der 3. US-Armee noch etwa 1.500 schwerkranke und geschwächte Häftlinge im Lager vor. Wenige Tage vor Ankunft der US-Amerikaner hatte die SS ungefähr 15.000 Häftlinge des Stammlagers Flossenbürg auf sogenannte Todesmärsche in Richtung Süden getrieben. Insgesamt schätzt man die Zahl der Toten aus dem KZ-Flossenbürg auf über 30.000.
 
 
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