UR-Forscherinnen stellen Erzählband des jiddischen Autors Dovid Bergelsons vor

Prof.in Dr. Sabine Koller und Dr. Alexandra Polyan bei ihrer Lesung aus Dovid Bergelsons Erzählband „Die Welt möge Zeuge sein“. (Foto: © Schmidt/Universität Regensburg)Prof.in Dr. Sabine Koller und Dr. Alexandra Polyan bei ihrer Lesung aus Dovid Bergelsons Erzählband „Die Welt möge Zeuge sein“. (Foto: © Schmidt/Universität Regensburg)
Ende September fand in der Jüdischen Gemeinde am Brixener Hof in Regensburg die Buchpräsentation von Dovid Bergelsons Erzählband „Die Welt möge Zeuge sein“ statt. In Form einer jiddisch-deutschen Lesung stellten die beiden Herausgeberinnen Prof.in Dr. Sabine Koller, Professur für Slavisch-Jüdische Studien an der Universität Regensburg, und Dr. Alexandra Polyan, Wissenschaftliche Mitarbeiterin im Forschungsprojekt „The Short Life of Soviet Yiddish Literature“, das Buch vor und führten gleichzeitig durch den Abend.
Die Präsentation erfolgte in Kooperation mit der Jüdischen Gemeinde Regensburg im Rahmen des von der Leibniz-Gemeinschaft im Programm „Kooperative Exzellenz“ geförderten Kooperationsprojekts „The Short Life of Soviet Yiddish Literature“.
Dr. Alexandra Polyan (li.) und Prof.in Dr. Sabine Koller bei ihrer Lesung aus Dovid Bergelsons Erzählband „Die Welt möge Zeuge sein“. (Foto: © Schmidt/Universität Regensburg)Dr. Alexandra Polyan (li.) und Prof.in Dr. Sabine Koller bei ihrer Lesung aus Dovid Bergelsons Erzählband „Die Welt möge Zeuge sein“. (Foto: © Schmidt/Universität Regensburg)Nach einführenden Worten von Ilse Danziger, Vorsitzende der Jüdischen Gemeinde Regensburg und Universitätspräsident Prof. Dr. Udo Hebel, lasen die beiden Herausgeberinnen abwechselnd auf Jiddisch und Deutsch Passagen aus dem Buch und erläuterten die oft bewegten kulturpolitischen, historischen und persönlichen Hintergründe. Der Erzählband versammelt erstmalig ausgewählte Prosa sowie einen Dramenausschnitt aus Dovid Bergelsons umfänglichem Schaffen. Ergänzt sind die Texte um einen Anmerkungsapparat, ein Glossar und ein ausführliches Nachwort zum Leben und Werk Dovid Bergelsons. Die meisten der Texte sind Erstübersetzungen ins Deutsche.
Dovid Bergelson, 1884 in Ochrimowo in der heutigen Ukraine geboren, prägte über vier Jahrzehnte die moderne jiddische Literatur. Ob in Kiew, Berlin, New York oder Moskau – Bergelsons literarische Stimme wurde gehört. Er gilt als Erneuerer der jiddischen Prosa zwischen Moderne und Sozialistischem Realismus, bis mit dem Zweiten Weltkrieg und der versuchten Judenvernichtung Bergelsons Schreiben schließlich eine neue, existenzielle Dimension erreichte. Am 12. August 1952 wurde Dovid Bergelson nach einem dreijährigen Geheimprozess mit weiteren führenden jüdischen Intellektuellen und ehemaligen Mitgliedern des Jüdischen Antifaschistischen Komitees in Moskau hingerichtet.
Die Präsentation durch Prof.in Koller und Dr. Polyan nahm das Publikum mit auf den bewegten Lebensweg Dovid Bergelsons und zeichnete seine fulminante literarische Entwicklung nach, folgte den Lebensthemen eines Autors, der Auge in Auge mit Bedrohung und Gewalt, doch unerschütterlich in seinem Hoffen nach dem Ort des Jüdischen in der Welt fragt. Den beiden Leserinnen brachten durch ihren Dialog von Original und Übersetzung erstmals übersetzte Schlüsseltexte dieser zentralen Gestalt der jiddischen Literatur zu Gehör.
 
Zum Kooperationsprojekts „The Short Life of Soviet Yiddish Literature“
Projektpartner:
(Foto: © Schmidt/Universität Regensburg)(Foto: © Schmidt/Universität Regensburg) 
  1. Leibniz-Institut für jüdische Geschichte und Kultur – Simon Dubnow, Leipzig (Hauptantragsteller)
  2. Leibniz-Zentrum für Literatur- und Kulturforschung, Berlin
  3. Professur für Slavisch-Jüdische Studien, Universität Regensburg.

Förderzeitraum: 2020-2025
Projektinhalt und -ziel:
Das Projekt erforscht die sowjetisch jiddische Literatur von 1917 bis 1952 anhand zentraler Akteure und Werke sowie des kulturpolitischen Kontextes. Es geht den Widersprüchen offizieller Nationalitätenpolitik und den seit den 1930er Jahren zu beobachtenden Russifizierungstendenzen in der Sowjetunion nach. Die Auseinandersetzung mit dem besonderen Status und der einzigartigen Geschichte der sowjetisch-jiddischen Literatur verspricht neue Erkenntnisse für die Geschichte des östlichen Europas und seiner Judenheiten, aber auch für die gegenwärtigen Herausforderungen globalisierter Diaspora- und Migrationserfahrungen. Im Zentrum stehen die künstlerische Produktion und kulturpolitisches Handeln im Spannungsfeld von staatlicher Förderung bei gleichzeitiger kulturpolitischer Reglementierung und Repression
Ausgangspunkt des Vorhabens ist der Geheimprozess gegen führende Mitglieder des Jüdischen Antifaschistischen Komitees: Im Ergebnis wurden vom 12. auf den 13. August 1952 mit den Lyrikern Perets Markish (1895–1952), Dovid Hofshteyn (1889–1952), Itsik Fefer (1900–1952), Leyb Kvitko (1890–1952) und dem Romanautor Dovid Bergelson (1884–1952) einige der prominentesten Vertreter der in der Sowjetunion zunächst geförderten, doch seit Ende der 1920er Jahre auch zunehmend ambivalent bis kritisch betrachteten jiddischen Literatur erschossen.
In der Forschung ist die Entwicklung der sowjetisch jiddischen Literatur bisher nur teilweise und selektiv aufgearbeitet worden. Im Rahmen des Institutionenübergreifend und interdisziplinären Forschungsprojekts, in dem geschichts- und politikwissenschaftliche sowie kultur- und literaturwissenschaftliche Perspektiven zusammenlaufen, entstehen verschiedene Studien zur literarischen Reflexion anti-jüdischer Gewalt, eine Kollektivbiografie der eben genannten fünf Schriftsteller, eine Fallstudie über die Welttournee des Jüdischen Antifaschistischen Komitees 1943 – und die Anthologie Buch Dovid Bergelson, „Die Welt möge Zeuge sein“.
The Short Life of Soviet Yiddish Literature - Dubnow Institute]
 
Zum Buch:
Dovid Bergelson, „Die Welt möge Zeuge sein“. Erzählungen. Herausgegeben von Sabine Koller und Alexandra Polyan. Berlin: Jüdischer Verlag Suhrkamp Verlag 2023.
Aus dem Jiddischen übersetzt von Peter Comans, Susanne Klingenstein, Sabine Koller und Janina Wurbs.
Weitere Informationen gibt es hier.
 
 
Universität Regensburg
Kommunikation & Marketing
Universitätsstraße 31
93053 Regensburg
Google Analytics Alternative