Senior Fellow der Alexander von Humboldt-Stiftung forscht am Bohemicum – Center for Czech Studies

Dr. Dalibor Dobiáš (Foto: ©Dobiáš)Dr. Dalibor Dobiáš (Foto: ©Dobiáš)Dr. Dalibor Dobiáš ist der neue Senior Fellow der Alexander von Humboldt-Stiftung an der Universität Regensburg. Erneut wird Dr. Dobiáš dabei am Bohemicum – Center for Czech Studies arbeiten. Bereits Im Sommersemester 2020 forschte er in Regensburg an seinem Projekt „Fürst Igor, Marko Kraljević und Záboj. Das grundlegende Epos im Netzwerk des slawisch-romantischen Nationalismus im 19. und 20. Jahrhundert“, worauf im Oktober 2021 der international ausgerichtete Workshop „Slavic Founding Epic in the Interpretation Network of Romantic Nationalism“ folgte. Der semestrale Aufenthalt wurde seinerzeit von der Tschechischen Akademie der Wissenschaften, der Workshop von der Bayerisch-Tschechischen Hochschulagentur gefördert.
Der von der Alexander von Humboldt-Stiftung geförderte Forschungsaufenthalt ist auf eineinhalb Jahre ausgelegt, beginnt am 1. April 2023 und ist inhaltlich auf die vielfältigen Rollen von Jiří Gruša als Kulturübersetzer ausgerichtet.

Das Werk Jiří Grušas verdient in zweierlei Hinsicht Beachtung: Der tschechisch-deutsche Dichter und Diplomat trug zu einer neuen Sprache der deutsch-tschechischen Beziehung nach der Erfahrung der Totalitarismen des 20. Jahrhunderts bei, die die „national cultivation of culture“ als Mobilisierungsbasis nutzten, und transformierte damit die Tradition der öffentlich aktiven tschechischen Schriftsteller (Karel Čapek, Václav Havel). Gleichzeitig stellt der zweisprachige Autor und kritische Fortsetzer der mitteleuropäischen Literatur in der Suche nach der „Weltsprache der Poesie“ einen bemerkenswerten Fall von doppelter kultureller Übersetzung dar. Darin stellt er sich, ähnlich wie andere ost- und westeuropäische Zeitgenossen der 1960er Jahre (wie H. M. Enzensberger), gegen die kulturpolitische Instrumentalisierung der Literatur in der Nachkriegszeit. Während der junge Gruša deutsche Autoren wie Franz Kafka oder Rainer Maria Rilke ins Tschechische gegen den Kulturkanon der kommunistischen Macht übersetzte und sich von ihnen inspirieren ließ, betonte er später im Deutschen sowohl in seiner Lyrik als auch in Essays wie „Gebrauchsanweisung für Tschechien“ den plurikulturellen Charakter seiner eigenen Erfahrung und die potenzielle Bedrohung der Sprache durch jegliche Macht.
Dobiáš begreift in seinem Projekt die herausragende Rolle der Übersetzung in Grušas kreativem Schaffen als Gelegenheit, sein gesamtes Oeuvre aus der Perspektive einer breiteren – kulturellen – Übersetzung zu betrachten. Er will die traditionelle, oft überwiegend biografische Einordnung ähnlicher Autorinnen in die „Exilliteratur“ relativieren und ihre Nähe zu den Übersetzerinnen und schließlich ihr ausgeprägtes Übersetzungsverständnis als zeitlich variierendes Phänomen herausarbeiten.
 
Zu Dr. Dalibor Dobiáš
PhDr. Dalibor Dobiáš, Ph.D., ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für tschechische Literatur der Tschechischen Akademie der Wissenschaften, an der er die Abteilung für die Geschichte der Literatur des 19. Jahrhunderts leitet. Er beschäftigt sich vor allem mit der neuzeitlichen Literatur der böhmischen Länder im mitteleuropäischen Kontext, sowie dem romantischen Nationalismus der Slawen. Er ist Herausgeber von kollektiven Monographien zur Grünberger und Königinhofer Handschrift im Lichte der tschechischen Wissenschaft (2014) und zu ihrer Wirkung auf die tschechische Kultur und Kunst (2019), zu Anfängen der Literaturkritik in Böhmen (2021) sowie Mit-/Herausgeber der Werke von Jiří Gruša auf Deutsch und Tschechisch.
 
Bohemicum – Center for Czech Studies
Die Ansiedlung der Projekte von Dalibor Dobiáš am Bohemicum ist den Forschungsschwerpunkten dieser Einrichtung geschuldet. Professor Dr. Marek Nekula, Leiter des Bohemicum - Center for Czech Studies, forscht u. a. zur Verhandlung und Konkretisierung von nationalen und transnationalen Konzepten in skulpturalen Monumenten, architektonischen Pantheons, performativen Festivitäten sowie literarischen Kanons in Form von Anthologien und Literaturgeschichten (2017), die durch nationale und transnationale Narrative (2021) verknüpft werden. Die Forschung zur literarischen Mehrsprachigkeit, sowie zur Literatur in Migration, konkretisiert sich in Monographien und Aufsätzen zu Franz Kafka (2003, 2016, 2021), der Prager Moderne, sowie Autoren wie Jan Neruda, Jakub Deml oder Maxim Biller und dem dritten Raum der tschechischen Literatur in Deutschland.
Das Bohemicum bot unter anderem auch dem Forschungspreisträger der Alexander von Humboldt-Stiftung, Professor Dr. Jindřich Toman von der University of Michigan, die Möglichkeit im Rahmen seines einjährigen Forschungsaufenthalts an seinem Buch Bohemiaˈs Jews and Their Nineteenth Century: Texts, Contexts, Reassessments (2023) zu arbeiten.
 
Weiterführende Informationen
 
 
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