Regensburger Forschende plädieren für Provisionsverbot

Prof. Dr. Steffen Sebastian (Foto: © Christian Buck)Prof. Dr. Steffen Sebastian (Foto: © Christian Buck)Im Rahmen der Studie „Die Auswirkungen von Provisionsverboten auf das Vermögen der Haushalte: Erkenntnisse aus OECD-Ländern“, hat ein Team rund um Prof. Dr. Steffen Sebastian, Inhaber des Lehrstuhls für Immobilienfinanzierung und Direktor am Center for Finance der Universität Regensburg, die Auswirkungen von Provisionsverboten für Finanzberater auf die Vermögensbildung von privaten Haushalten untersucht. Die Ergebnisse sind eindeutig: Das Vermögen der Haushalte in Ländern mit Provisionsverbot wuchs signifikant stärker als in Ländern ohne Provisionsverbot. Das Forscherteam bemisst den um länderspezifische Effekte bereinigten Renditeunterschied auf 1,7 Prozent p.a. und appelliert an die EU-Kommission, ein allgemeines Verbot von Provisionen bei der Anlageberatung umzusetzen.
Das Verhältnis von Finanzberatern und deren Kunden ist gekennzeichnet durch Informationsasymmetrien und durch einen Interessenskonflikt aufgrund der Vergütung mittels Provisionen. Anders als beispielsweise bei einem Steuerberater oder Rechtsanwalt basiert die klassische Provisionsberatung auf der Vergütung durch Zuwendungen Dritter, welche die Produktvermittlung beauftragen. In der volkswirtschaftlichen Theorie handelt es sich um ein Prinzipal-Agenten-Problem, bei dem der Finanzberater den Anreiz hat, Finanzprodukte zu verkaufen, die sein Einkommen maximieren, nicht aber die Rendite bzw. den Nutzen des Anlegers, der eine Finanzberatung wünscht.
Um diesen Interessenkonflikt zu beseitigen, haben Dänemark, Finnland, Großbritannien, Norwegen sowie Australien und Neuseeland zu verschiedenen Zeitpunkten in der jüngeren Vergangenheit, zwischen 2005 (Finnland) und 2019 (Australien), Provisionsverbote eingeführt. In diesen Ländern haben sich dank der Regulierung alternative Bezahlungsweisen (z. B. nach Beratungszeit oder verwaltetem Vermögen) durchgesetzt. Ein Schritt, vor dem die Branchenverbände in Deutschland warnen. Sie warnen vor dem Verlust von Arbeitsplätzen und prophezeien eine  „Servicewüste“ für den Verbraucher. Die Datenlage widerlegt derartige Befürchtungen: trotz der Änderungen ist die Anzahl von Finanzberatern in den entsprechenden Ländern nicht gesunken. Im Fall von Großbritannien ist diese Zahl sogar leicht gestiegen. Eine Servicewüste kann ebenfalls nicht festgestellt werden.
Die Untersuchung analysiert die Effekte der Einführung eines Provisionsverbots auf die Vermögensbildung von privaten Haushalten. Hierzu verwendet die Studie OECD-Daten für den Zeitraum von 1997 bis 2021 inklusive der sechs Länder, die bereits ein Provisionsverbot eingeführt haben. Mithilfe von länder- und zeitspezifischen Effekten liefert belegen die Autoren, dass Provisionsverbote die Vermögensbildung signifikant positiv beeinflusst haben.
„Wir konnten in unserer Studie sehr klare, eindeutige und messbare Ergebnisse feststellen“, erklärt Prof. Sebastian und kommt zu dem Ergebnis: „Die Einführung des Provisionsverbots hat in allen Ländern das Vermögen der privaten Haushalte deutlich gesteigert.“
So erreichten Haushalte in Ländern mit Provisionsverbot durchschnittlich ca. 1.7% p.a. mehr Vermögenswachstum. Dieses Ergebnis ist ebenfalls in einzelnen Ländergruppen (z. B. Europa) und bei der Verwendung von weiteren Kontrollvariablen hoch signifikant. Hierdurch können nach einer Modellrechnung Haushalte zwischen 50% (Sparplan) und 90% (Einmalanlage) zusätzliches Vermögen über 40 Jahre ansammeln. „Sparer in Ländern mit Provisionsverbot können je nach Anlagezeitraum mit fast doppelt so hohen Vermögen rechnen als Sparer in Ländern mit Provisionsberatung“, so Prof. Sebastian.
Diese Studie greift initial die Frage nach dem Effekt von Provisionsverboten mit einem neuen Ansatz auf. Die länderübergreifende Analyse zeigt, dass die jüngste Initiative der EU Kommission, auf europäischer Ebene ein Provisionsverbot verpflichtend einzuführen, berechtigt ist.
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