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Dr. August Donderer: War er wirklich der böse Nazi?

Dr. Wolfgang Proske (Foto: Pressestelle Landratsamt Kelheim)Dr. Wolfgang Proske (Foto: Pressestelle Landratsamt Kelheim)Beim Vortrag im Landratsamt Kelheim lüftete der Referent Dr. Wolfgang Proske überraschende Details aus dem Leben von Dr. August Donderer, der von November 1932 bis März 1945 als Kreisleiter der NSDAP und bis 1945 als Erster Bürgermeister in Kelheim fungierte.
Es war kein leichtes und angenehmes Thema, das man sich für den diesen Dialog im Donaupark ausgewählt hatte. Der große Besucherandrang zeigte aber, dass es ein Thema war, das noch immer viele Mitmenschen bewegt und beschäftigt. Stellvertretender Landrat Wolfgang Gural ging in der Begrüßung darauf ein, warum man sich, über 75 Jahre nach Kriegsende, noch immer mit dem Nationalsozialismus beschäftigen sollte. Gilt es doch, die Erinnerung an diesen unrühmlichen Teil unserer Geschichte aus Respekt vor dem Leid der verfolgten und getöteten Menschen wachzuhalten und sich entschieden gegen jede Form eines aufkeimenden Antisemitismus zu wenden.
Zahlreiche Zuhörer im großen Sitzungssaal des Landratsamtes Kelheim (Foto: Pressestelle Landratsamt Kelheim)Zahlreiche Zuhörer im großen Sitzungssaal des Landratsamtes Kelheim (Foto: Pressestelle Landratsamt Kelheim)
Vor kurzem erschien der 13. Band aus der Reihe „Täter Helfer Trittbrettfahrer“ zum Leben bedeutender Nationalsozialisten aus Niederbayern. Ein Kapitel dieses Buches ist dem ehemaligen Kreisleiter und Bürgermeister der Stadt Kelheim, Dr. August Donderer gewidmet. Dem Referenten Dr. Wolfgang Proske, der seine Ausführungen ausschließlich auf vorhandene schriftliche Quellen stützt, ist es dabei gelungen, ein umfassendes Bild vom Charakter und seiner Funktion im Aufstieg des Nationalsozialismus dieses Akteurs zu zeichnen.
Dr. med. August Donderer wurde am 04.01.1896 in München als uneheliches Kind unter dem Namen August Lachenmaier geboren, aufgewachsen bei Kempten und Günzburg. Nach dem Abitur 1914 meldete er sich freiwillig zum Krieg, wurde 1916 nach fünfzigprozentiger Kriegsbeschädigung entlassen und begann ein Studium der Humanmedizin. Bereits in dieser Zeit war er äußerst aktiv in rechtsextremen Freikorps. Ab 1922 war er in Kelheim als praktischer und Krankenhausarzt tätig. Selbst bereits 1930 in die NSDAP eingetreten, war er 1931 Gründungsmitglied der NSDAP-Ortsgruppe in Kelheim.
Die Voraussetzungen in der Region, dass die NSDAP die politische Führungsrolle übernahm, waren, wie man an den Ergebnissen der Reichstagswahl 1932 erkennen kann, mehr als schwierig. Im Raum Kelheim zeigte sich eine erheblich abweichende politische Lage als in Gesamtdeutschland: Der Anteil der Stimmen für die BVP und die KP ist fast doppelt so hoch, der Anteil der NSDAP beträgt dagegen nur knapp die Hälfte.
Die Weltwirtschaftskrise und die damit drohende Schließung der Zellstofffabrik, damals mit annähernd 300 Arbeitsplätzen ein bedeutender Arbeitgeber in der Wirtschaftsregion, war eine der ersten, mit Bravour bewältigten, politischen Bewährungsproben des jungen Arztes. Es gelingt ihm, die Arbeiter zu mobilisieren. Bei einer großen Protestversammlung fordert er „die Auflehnung gegen die Diktatur des Konzerns und die Machenschaften des Großkapitals und denjenigen, die nur nach Börse, Aktien und Dividende rechnen“. Er fordert, dass Löhne und Gehälter weiter ausbezahlt werden müssen, damit die Massen nicht auf die Straße geworfen werden.
Neben seiner Tätigkeit ab 1932 als Kreisleiter übte Dr. Donderer weitere einflussreiche Ämter aus: er war 1. Arzt der SA-Brigade, Ortsgruppenleiter der NSV, Postschutzarzt, Betriebsarzt der meisten ansässigen Betriebe, Verwaltungsstellenleiter im Amt für Volksgesundheit und Bezirksstellenleiter in der Reichsärztekammer Niederbayern, Aufsichtsratsvorsitzender der Ostbayerischen StromversorgungsAG Landshut sowie Präsident im Kreistag Niederbayern/Oberpfalz.
Mit der Übernahme des Amtes des ersten Bürgermeisters der Stadt Kelheim von einem Parteifreund 1933 stand er am Zenit seiner politischen Karriere, gekrönt von Hitlers Besuch der Befreiungshalle.
Politisch unangreifbar, kritisiert Donderer nach der Abstimmung 1934 über die Zusammenlegung der Ämter von Reichspräsident und Reichskanzler die hohe Zahl der Gegenstimmen sowie der Nichtwähler im Kreis Kelheim und fordert die namentliche Benennung dieser Leute. Die Bewohner des kleinen Ort Dünzling, mit 79 Nein-Stimmen ein Ort des Widerstandes, lässt er durch den Aufmarsch von mehreren hundert Mann SA einschüchtern und zusammentreiben. Nach mehrstündiger Wartezeit beschimpft Donderer sie als „Sauhunde“, „schwarze Feiglinge“ und „Verräter“.
Donderer unterstützt auch die antisemitischen Ziele seiner Partei und verhindert die Rückkehr eines beruflich hoch anerkannten jüdischen Oberingenieurs an die Zellstofffabrik, weil es sei „einfach undenkbar, dass ausgerechnet in der heutigen Zeit sich ein Jude, ohne Ärgernis zu erregen, hier niederlassen könnte“.
Sofort nach seiner Machtübernahme werden bestehende politische und gesellschaftliche Strukturen durch die Verhaftung und Deportierung vieler Kommunalpolitiker und dem Verbot von Parteien und Vereinen mit Bezug zur Arbeiterschaft sowie der BVP zerstört. Sämtliche politischen Gegner werden systematisch bespitzelt und kontrolliert. Und er war sich nicht zu schade, selbst Verhaftungen politischer Gegner durchzuführen.
Wegen seiner Morphinabhängigkeit wurde Dr. Donderer 1942 als Kreisleiter abgesetzt, das Amt des Bürgermeisters behielt er aber bis Kriegsende. Anzurechnen ist Bürgermeister Dr. Donderer, dass er 1945 die Verteidigung der Stadt schlicht ablehnte und so keine unnötige Zerstörung mehr erfolgte.  Dr. Donderer wurde nach Kriegsende inhaftiert und 1948 als Hauptschuldiger (Gruppe 1 von fünf Kategorien) verurteilt. Im Berufungsverfahrens zu Beginn 1950 wurde dies aufgehoben und er zum Belasteten (Gruppe 2) erklärt. Nach Ende seiner Haftstraße 1951 war er wieder bis zu seinem Tode 1956 als praktischer Arzt in Kelheim tätig.
 
Sonja Endl
Stellv. Pressesprecherin