Sichtlich gerührt waren Kerstin Simon und Nina Stelzl von pro familia Niederbayern e.V. als sie den Frauenförderpreis der NiederbayernSPD überreicht bekamen. Es sei einfach schön, sich gewürdigt zu wissen. Das gehe im täglichen Strudel an Aufgaben oft unter, freute sich Kerstin Simon, stellvertretende Vorsitzende der pro familia Niederbayern.
v.l.: Anja König (Stadträtin Landshut), Nina Stelzl (ProFa), Kerstin Simon (ProFa), Ruth Müller MdL, Iris Hofmann (SPD-KV Deggendorf), Katja Reitmaier (Stadträtin Passau, Vorsitzende ASF Niederbayern) (Foto: SPD-Niederbayern)v.l.: Anja König (Stadträtin Landshut), Nina Stelzl (ProFa), Kerstin Simon (ProFa), Ruth Müller MdL, Iris Hofmann (SPD-KV Deggendorf), Katja Reitmaier (Stadträtin Passau, Vorsitzende ASF Niederbayern) (Foto: SPD-Niederbayern)
Bereits in der Begrüßung durch die ASF-Bezirksvorsitzende, Katja Reitmaier und die stellvertretende Vorsitzende des Deggendorfer Ortsvereins, Iris Hofmann, klang der große Respekt für die Arbeit der Haupt- und Ehrenamtlichen der pro familia durch, "ein Bollwerk gegen die Welle des Rückschritts bei Frauenrechten" so Reitmaier. Die Frauenförderpreis ist mit einem Preisgeld von 500 Euro dotiert. Verliehen wird er für besonderen Einsatz von Frauen für Frauen sowie Engagement für Frauenrechte. „Pro familia erfüllt das in der täglichen hauptamtlichen, aber auch in der ehrenamtlichen Arbeit, insbesondere für die Verbesserung der schlechten Versorgungslage bezüglich Schwangerschaftsabbrüchen. Das ist der NiederbayernSPD besonders wichtig. Frauenrechte müssen wir tagtäglich im Ehrenamt, aber auch in den Parlamenten verteidigen. Deswegen wird die NiederbayernSPD nicht nur Preise verleihen, sondern auch eine paritätische Liste für den Bezirks und Landtag aufstellen.“

Iris Hofmann verwies darauf, dass auch in Deutschland Frauen im Jahr 2022 durchaus nicht gleichberechtigt seinen, "Forschung für neue Medikamente wird häufig nur an jungen, gesunden Männern durchgeführt und die Ergebnisse werden auf Frauen umgelegt. Aber Frauen sind keine kleiner geratenen Männer. Diese Medikamente wirken auf Frauenkörper oft ganz anders. Aber Profit toppt Gerechtigkeit". Sie ging auch auf ihre eigenen Erfahrungen mit der pro familia im Rahmen der Flüchtlingshilfe ein und auf den mutigen Kampf der Frauen im Iran, die unter Bedrohung ihres Lebens auf die Straße ziehen. "Es wird systematisch eine ganze Bevölkerung entrechtet und ausgeplündert und am schlimmsten trifft es die, die man am stärksten entrechtet hat, die Frauen", so Hofmann weiter, als sie in ihrer Begrüßung den Abend auch unter das Zeichen der Solidarität mit den Frauen im Iran zu stellte.
Die Laudatio hielt Ruth Müller, MdL, aus Landshut. In ihrer Rede griff sie die Geschichte der pro familia und der Frauenrechte in der Bundesrepublik auf. "Frauen mussten in der langen Geschichte der Frauenbewegung immer wieder auf die Straße gehen, um für ihre Rechte zu kämpfen und Verbesserungen zu erreichen," referierte Müller zu Beginn ihrer Rede. Die pro familia wurde 1952, vor 70 Jahren, gegründet, als "Deutsche Gesellschaft für Ehe und Familie“, die als nicht-konfessioneller, nicht-staatlicher und als gemeinnütziger Verband Beratung zu Fragen von Sexualität und Familienplanung tätig war. Ruth Müller nannte auch einige Meilensteine im langen Kampf um Frauenrechte.
Noch 1949 sei es ein Streitthema gewesen, den Satz "Männer und Frauen sind gleichberechtigt" ins Grundgesetz zu schreiben, erst 1958 fielen das Recht des Ehemannes, das Arbeitsverhältnis seiner Frau zu kündigen und die benötigte Einverständnis des Gatten beim Erwerb des Führerscheins. 1959 folgte die Abschaffung des Stichentscheides, das letzte Wort in Erziehungsfragen und ab 1962 durften verheiratete Frauen ohne Zustimmung ihres Mannes ein Konto eröffnen, noch 1967 gab es ein Urteil des Bundesgerichtshofs, das besagte, dass Frauen die „ehelichen Pflichten“ zu erfüllen hätten und erst 1969 wurden verheiratete Frauen als geschäftsfähig anerkannt und seit 1974 gilt das Fristenmodell beim Schwangerschaftsabbruch, der Abtreibung bis zur 12. Woche straffrei stellt, sofern vorher ein Beratungstermin wahrgenommen wird. Jedes dieser Rechte wurde hart erkämpft, oft gegen erbitterten Widerstand. 1977 folgte die Familienrechtsreform, die der Frau erlaubte ohne das Einverständnis des Mannes erwerbstätig zu sein und sie nicht mehr gesetzlich zur Haushaltsführung verpflichtete. 1997 und 2001 folgten mit der Strafbarkeit der Vergewaltigung in der Ehe und dem Gewaltschutzgesetz, also dem Recht sich gegen einen gewalttätigen Partner zu wehren weitere wichtige Schritte zum Schutz von Frauen in Partnerschaften.
Wer nun meint, dass sich in den 70 Jahren seit der Gründung von pro familia bzw. rund 50 Jahre nach den politischen Änderungen von Paragraf 218 alles verbessert hat, irre sich, so Müller weiter, das würden auch die Aktivitäten der ehrenamtlichen Mitarbeiter:innen, die pro familia im Jahr 2022 in Niederbayern anbietet zeigen.
Sei es die Beratung und Aufklärung von Mädchen und Frauen zu einem selbstbestimmten Lebensweg, das Kämpfen gegen rückwärtsgewandte Strömungen, Präventionsmaßnahmen, Täterberatung, in der gewalttätige Partner lernen sollen, die Gewaltspirale zu durchbrechen, die Trägerschaft der queeren Beratungsstelle in Landshut oder die ureigene Aufgabe der pro familia die Beratung von Frauen und Familien zu allen Fragen rund um Familienplanung, Schwangerschaft, Sexualität und Partnerschaft.
Die pro familia bietet auch die verpflichtenden Beratungsgespräche vor einem Schwangerschaftsabbruch an, berichtete Ruth Müller weiter, bei zwischen 11.000 und 12.000 Abbrüchen in Bayern jährlich, sei der Bedarf auch immer gegeben. Was der Landshuter Landtagsabgeordneten allerdings Sorgen macht, ist die gravierende medizinische Unterversorgung in diesem Bereich, jedes Jahr werden die Praxen und Kliniken die Abbrüche durchführen weniger und Statistiken besagen, dass der Großteil der Ärzt:innen, die noch Schwangerschaftsabbrüche vornehmen schon im Rentenalter oder über 60 Jahre alt sind. Diese hätten sich oft in den 60ern und 70ern aufgrund der damaligen Debatten aus eigener Überzeugung heraus auf Schwangerschaftsabbrüche spezialisiert. In Niederbayern findet sich heute nur eine einzige Gynäkologin, die Abtreibungen nach der Fristenregelung anbietet. Aber nicht nur hier sind die Zustände schlecht. In Polen sind Abtreibungen außer in Ausnahmefällen verboten, Ungarn verschärfte die Regeln beim Abbruch. In Amerika haben, unter dem Einfluss von Donald Trump, die Konservativen in zahlreichen Staaten die Schwangerschaftsabbrüche reguliert. Frauen, die in Tennessee, Alabama, Mississippi wohnen, müssen weite Wege auf sich nehmen.
Ein weiteres strukturelles Problem behandelt der Tag gegen Gewalt gegen Frauen, der letzte Woche war. Untersuchungen zeigen, dass jede vierte Frau in Deutschland mindestens einmal in ihrem Leben Opfer von Gewalt durch ihren Ehemann bzw. Lebenspartner oder Freund wird. Davon betroffen sind Frauen jeden Alters und unabhängig von Bildungsstand, Einkommen, Nationalität oder sozialer Schicht. „Nicht nur das“, betonte Ruth Müller, „mit durchschnittlich 20.000 Gewaltdelikten und 300 Mordversuchen pro Jahr gegen Frauen in Bayern, sehen wir uns mit einem Gewaltproblem konfrontiert, das einem patriarchalen Rollenbild entspringt, das teils über viele Jahrhunderte unsere Gesellschaft geprägt hat. Mit dem Frauenförderpreis möchten wir heuer eine Organisation unterstützen, die haupt- und ehrenamtlich Frauenrechte mit erkämpft und verteidigt hat, Ihre Arbeit ein bisschen ins Licht der Öffentlichkeit rücken und Ihnen und Ihren Ehrenamtlichen für Ihren Einsatz danken“, schloss Ruth Müller ihre Laudatio.
 
 
Katja Reitmaier
ASF-Bezirksvorsitzende Niederbayern
Stellv. Vorsitzende der ASF Bayern
0 160 55 10 634
Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!
Google Analytics Alternative