Erinnerung an den Widerstandskämpfer Dietrich Bonhoeffer im Gedenken an seine Hinrichtung vor 77 Jahren

v.l.: Heinz Schoenfelder, Veronika Mavridis, Ruth Mueller und Michael Schoenfelder (Foto: SPD-Niederbayern)v.l.: Heinz Schoenfelder, Veronika Mavridis, Ruth Mueller und Michael Schoenfelder (Foto: SPD-Niederbayern)
77 Jahre nach der Hinrichtung Dietrich Bonhoeffers im Konzentrationslager Flossenbürg erinnerten Pfarrerin Veronika Mavridis und die Landtagsabgeordnete und Synodale der evangelischen Landeskirche, Ruth Müller, MdL am Samstagabend in der Rottenburger Dreieinigkeitskirche an den evangelischen Theologen und Widerstandskämpfer. Unter dem Motto: „Vom Leben und Sterben in einer Diktatur“ wurden die Lebensstationen Bonhoeffers in den zeitgeschichtlichen Kontext gestellt, um deutlich zu machen, wie politische Entwicklungen das Leben beeinflussen und wie im Fall Bonhoeffer auch gewaltsam beenden können. Bereits 2010 hatten die evangelischen Kirchen im Labertal mit der SPD in der Region die vielbeachteten „Bonhoeffer-Wochen“ für Zivilcourage, Widerstand, Glaube und Demokratie durchgeführt und dabei sei man auch immer wieder mit der Frage konfrontiert worden, „ob es denn sein müsse, immer wieder über diese dunkle Zeit zu sprechen“, erinnerte Ruth Müller in der Einführung. „Und ja – angesichts der aktuellen Entwicklungen ist es umso wichtiger, daran zu erinnern, wohin es führt, wenn Demokratien nicht genügend Demokraten haben“, so Müller.
Musikalisch wurde die Veranstaltung umrahmt von Michael Schönfelder am Kontrabass und Heinz Schönfelder an der Orgel, die es verstanden, mit passenden Liedtiteln die Stimmung der Zeit einzufangen.
Kindheit im Kaiserreich, Jugend im 1. Weltkrieg
Altar mit Bonhoeffer Literatur (Foto: SPD-Niederbayern)Altar mit Bonhoeffer Literatur (Foto: SPD-Niederbayern)1906, als Dietrich Bonhoeffer mit seiner Zwillingsschwester Sabine in Breslau geboren wurde, war Deutschland noch ein Kaiserreich. Die Bonhoeffers wohnten mit ihren acht Kindern in idyllischer Natur, zogen später nach Berlin, wo der Vater den Lehrstuhl für Neurologie und Psychiatrie an der Friedrichs-Wilhelm-Universität übernommen hatte. Musik und Kultur spielen in der Familie eine große Rolle, Bonhoeffers Mutter Paula stammt aus einem Pfarrhaus. Einer der Söhne starb im ersten Weltkrieg, was Dietrich Bonhoeffer auf den Gedanken brachte, Theologie zu studieren.
Als Student in der Weimarer Republik und in der Welt
Intelligent und zielstrebig legte er schon mit 17 Jahren sein Abitur ab und promovierte bereits 1927. Es folgten Reisen und Lehraufenthalte nach Italien, Spanien, England und in die USA, wo er es als wichtigste Erfahrung beschreibt, zum ersten Mal in seinem Leben „mit farbigen Menschen in Kontakt zu kommen“ und zu erleben, wie diese unter Rassismus und Ausgrenzung litten und ihren Glauben und ihre Frömmigkeit in den Gottesdiensten in Harlem lebten. Währenddessen steigt in Deutschland die Arbeitslosigkeit, die NSDAP kann die Zahl ihrer Sitze im Parlament verneunfachen und „die Demokratie beginnt zu verschwinden“, berichtete Ruth Müller die politischen Entwicklungen dieser Zeit. Anfang der 1930er Jahre wird Bonhoeffer zum Pfarrer ordiniert, arbeitet als Privatdozent an der Universität und ist im Prenzlauer Berg in der Jugendseelsorge tätig.
Aufstieg der Nationalsozialisten – Beginn des Dritten Reich
Schon 1933 wird das „Ermächtigungsgesetz“ erlassen. Der SPD-Abgeordnete Otto Wels hält seine berühmte Rede dagegen: „Freiheit und Leben kann man uns nehmen, die Ehre nicht“. Gleichzeitig erreichen die ersten Gefangenentransporte das Konzentrationslager in Dachau. In der evangelischen Kirche gibt es eine neue Verfassung mit dem Ziel, aus den Landeskirchen eine gemeinsame „Reichskirche“ zu formen und die „Deutschen Christen“ unterwandern die Kirche und führen auch dort den „Arierparagraphen“ ein. Während jüdische Mitbürger keine Zeitungen mehr kaufen dürfen, jüdische Musiker nicht mehr auftreten dürfen und Ehen zwischen Juden und Nichtjuden nicht mehr geschlossen werden dürfen, werden immer öfter bei Taufen Fürbitten verlesen, die dem Kind wünschen, es werde später so stark wie Hitler oder Himmler werden. Passend dazu ertönte das Lied „Irgendwo auf der Welt“ von den Comedian Harmonists, die nicht mehr auftreten durften und sich nach ihrer erzwungenen Trennung nie wieder sahen.
Bonhoeffers Predigerseminiar in Finkenwalde wird geschlossen und seine Bemühungen, die „Bekennende Kirche“ verliert ihre Wirkmacht. 1939 beginnt mit dem Angriff auf Polen der Krieg und Bonhoeffers Freunde in Amerika verschaffen ihm eine Anstellung dort, um ihn vor der Einberufung in den Kriegsdienst zu bewahren. Doch auf Dietrich Bonhoeffer lastet die Verantwortung, sich für sein Land einzusetzen und mitzuhelfen, die Diktatur zu beenden. Er wolle „dem Rad in die Speichen fallen“, wie er es nannte und reist deshalb zurück nach Deutschland, wo er beispielsweise über die Massendeportationen jüdischer Bürger aus Berlin berichtet, um Beweismittel für die Dokumentation der nationalsozialistischen Grausamkeiten zu sichern. 1942 will die „Wannseekonferenz“ die Planung für die „Endlösung der Judenfrage“ voranbringen. Weihnachten 1942 verlobt sich Bonhoeffer mit Maria von Wedemeyer und verbringt sein letztes Weihnachten mit seiner Familie.
Gefangenschaft und Konzentrationslager
Am 18. Februar wird von Reichspropagandaminister Joseph Goebbels der „totale“ Krieg proklamiert und schon am 22. Februar werden die ersten Mitglieder der „Weißen Rose“, Hans und Sophie Scholl und Christoph Probst in München hingerichtet. Am 5. April 1943 wird Bonhoeffer inhaftiert und erfährt erst Ende Juli die Anklagepunkte aus der Anklageschrift. Ein Jahr später, im Juli 1944 scheitert das Hitler-Attentat von der Gruppe um Claus Stauffenberg und Bonhoeffer wird bewusst, dass auch sein Schicksal besiegelt ist, als er in eine fensterlose Zelle verlegt wird und keinen Besuch mehr erhalten darf. „An Weihnachten 1944 verfasst er für seine Verlobte und seine Eltern das berühmte Gedicht „Von guten Mächten wunderbar geborgen“, das später vertont wurde“, berichtet Pfarrerin Mavridis aus den Lebensstationen Bonhoeffers. Während Bonhoeffer Anfang 1945 in die Konzentrationslager Buchenwald, Schönberg und Flossenbürg überführt wird, beginnt die große Winteroffensive der russischen Armee gegen die deutsche Ostfront. In der Folge begeben sich 2,5 Millionen Menschen auf die Flucht, viele von ihnen überleben diese nicht. Im März erlebt der Hauptbahnhof Landshut einen Bombenangriff und Anfang April finden die Todesmärsche statt, die auch durch unsere Region kommen und in Ergoldsbach werden durch Anna Gnadl und Max Maurer 13 jüdische Gefangene gerettet, wirft Müller einen Blick auf die lokalpolitischen Ereignisse dieser Zeit.
Von guten Mächten wunderbar geborgen
Am 9. April 1945 muss sich Bonhoeffer – zusammen mit fünf anderen Häftlingen nackt ausziehen und wird zum Galgen geführt und hingerichtet. Mavridis erinnert an seine letzten Worte: „Das ist das Ende – für mich der Beginn des Lebens“. Nur vier Wochen später war der Krieg zu Ende und die deutsche Wehrmacht erklärt die bedingungslose Kapitulation Deutschlands. „60 Millionen Menschen haben ihr Leben in diesem Krieg verloren, 13 Millionen Menschen mussten flüchten oder wurden aus ihrer Heimat vertrieben“, erinnert Müller an das millionenfache Leid, das jede Familie erlebt hat. „Und erst in den Jahren 1955 / 1956 sind die letzten Kriegsgefangenen aus Russland zu ihren Familien zurückgekehrt“.
Den aktuellen Bezug zum Krieg in der Ukraine stellte Pfarrerin Veronika Mavridis dar und fragte, ob es auch heute wieder mutige Menschen geben wird, die sich dem Krieg und den Diktatoren versuchen, entgegenzustellen. Die Besucher der Andacht verlasen anschließend einige Worte aus den Werken Dietrich Bonhoeffers, die auch auf dem Altar ausgelegt waren. In ihrem Schlusswort erinnerte Ruth Müller an das Vermächtnis Dietrich Bonhoeffers: „Demokratie darf uns nicht gleichgültig sein, denn sie ist die Grundlage für Frieden, Freiheit und Zivilcourage“. Mit dem Abend zum Gedenken an den evangelischen Theologen wolle man auch nicht zulassen, dass das Werk von Menschen wie Dietrich Bonhoeffer oder den Mitgliedern der Weißen Rose lächerlich gemacht werde und ihre Worte und Symbole von Leuten missbraucht werden, denen es an Geschichtsbewusstsein und an Respekt fehle.
Gemeinsam sangen die Besucher, umrahmt von Michael und Heinz Schönfelder das Lied „Von guten Mächten wunderbar geborgen“, das Kraft und Hoffnung für das Leben gibt.
 
 
Ruth Müller, SPD-Landtagsabgeordnete
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